Blog von Sascha Besier: Gedichte, Kurzgeschichten, Aphorismen, Bonmots und mehr. Ich freue mich über einen Kommentar.
2022-08-20
Einer dieser großartigen Filme, die mich seit meinen Kindertagen begleiten – um genau zu sein, ab meinem elften Lebensjahr. Die volle Faszination für dieses Meisterwerk der Filmgeschichte packte mich schon damals. Anfangs wohl wegen der unglaublich charismatischen Darstellung eines jungen Peter O’Toole des nicht minder charismatischen Thomas Edward Lawrence, auch bekannt als Lawrence of Arabia.
Mit den Jahren des Älterwerdens und des wachsenden Verständnisses für Filmkunst, entdeckte ich nun endlich auch das Genie hinter der Kulisse: Regisseur David Lean. Es ist immer wieder ein unglaubliches Erlebnis (egal, welchen Film man von ihm sieht) mit wie viel Gespür er Einstellungen, Schnitte etc. für eine intuitiv wahrnehmbare Stimmung und unterschwellige Botschaft zu nutzen wusste. Ganz besonders zu erwähnen ist da wohl sein Lawrence von Arabien.
Aber mindestens genauso erwähnt werden muss David Leans Haus- und Hof-Filmkomponist seit dieser Zeit: Maurice Jarre. Was wären David Leans Filme, ohne diese grandiose musikalische Leistung, die die Stimmung jeder Szene so exakt trifft oder überhaupt erst erzeugt? Nicht zu vergessen: der hohe Wiedererkennungsfaktor einer Filmmusik von Maurice Jarre. Selbst Menschen, die diesen Film nicht mögen oder vielleicht gar nicht kennen, haben seine Musik schon mal gehört. Und wie oft wurde sie schon für Parodien genutzt … Kann es ein besseres Zeichen für den perfekten Treffer geben?
Neben Peter O’Toole glänzen hier aber auch andere Schauspieler in ihren Rollen. Für mich ist unvergessen und immer wieder köstlich anzusehen, wie Anthony Quinn den Beduinenanführer Auda Abu Tayi spielt. Das allein ist schon so grandios, dass man den Film immer wieder sehen möchte.
Doch da kommt auch noch der junge, damals völlig unbekannte Omar Sharif daher, der den Sherif Ali Ibn El Kharisch – ebenfalls ein Stammesführer – spielt. Sharif wurde mit dieser Rolle weltberühmt und spielte nur drei Jahre später die Hauptrolle in einem anderen David Lean Meisterwerk – nämlich Doktor Schiwago. Als Kind (und irgendwie heute auch noch) war Sherif Ali für mich immer derjenige, dem es als einzigem möglich war, Lawrence vom drohenden Wahnsinn abzuhalten, die ruhende Kraft. Philosophen waren sowohl er als auch Lawrence, aber Ali wurde von seinen Leidenschaften nicht so gequält wie der arme Lawrence. Wirklich hervorragend, was der Film allein schon zu diesem Thema für eine Palette an Zitaten bietet.
Beispiel gefällig? Nun gut: „Wahrlich, für gewisse Männer steht nichts geschrieben, solange sie es nicht schreiben.“ (sagt Ali zu Lawrence nachdem dieser einen Mann aus der Wüste Nefut gerettet hat, was als unmöglich galt)
Später wird Lawrence gezwungen, um den Frieden unter den Stämmen zu erhalten, genau diesen Mann hinzurichten. Daraufhin erleidet Lawrence eine seelische Krise.
Anthony Quinn als Auda fragt Ali dazu: „Was bedrückt den Engländer?“
Ali: „Dass er genau den Mann töten musste, den er in der Wüste Nefut gerettet hat.“
Auda: „Ah, dann stand es so geschrieben. Er hätte ihn der Wüste überlassen sollen.“
Ich könnte noch stundenlang so weitermachen, aber das soll reichen.
Ebenfalls nicht vergessen sollte man Alec Guinness in der Rolle als Fürst Feisal. Unglaublich, was Maske und Schauspielkunst doch erreichen können. Man nimmt Guinness den Araberfürsten ohne mit der Wimper zu zucken ab, so echt wirkt das alles.
Kaum zu glauben, dass bei den sieben Oscars, die der Film eingeheimst hat, kein einziger an einen der überdimensionalen Darsteller ging. Am ehesten hätte ihn wohl Mr. O’Toole verdient, denn sein Schauspiel hier war einfach Magie.
Insgesamt hat der Film so viel zu bieten, dass ich wohl bis ich abtrete meinen Spaß an ihm haben werde. Bei jedem Sehen gibt es Neues zu entdecken (wenn auch manchmal nur Kleinigkeiten). Ein grandioser Film eines der letzten Genies des großen, epischen Kinos – David Lean –, als es noch keine digitalen Tricks gab, die einem gewisse Probleme ersparen. Und ganz nebenbei wird einem das Ganze nicht in jedem Detail historisch korrekt, sondern mit wahrer Poesie vermittelt. Virtuos bis zum Abspann.
Wie bei älteren Leinwandepen üblich, wurde hier, wie eben bereits erwähnt, gerne hin und wieder auf die ein oder andere historische Korrektheit zugunsten der Dramaturgie oder Poesie verzichtet. Heutzutage reitet man ja gerne auf solchen Dingen herum, doch Lawrence von Arabien muss das nicht kratzen. Dieser Film vermag es, etwas zu vermitteln, und das ist es, was zählt.
Auch für den echten Lawrence sollte man sich interessieren, denn sein Leben und sein Buch „Die sieben Säulen der Weisheit“ ist einfach was anderes als am Nachmittag eine Talk- oder Gerichtsshow zu gucken.
Filmdaten:
Herstellungsjahr: 1962
Länge: 218 Minuten
Produktion: Sam Spiegel & David Lean
Präsentiert von: Columbia Pictures
Regie: David Lean
Drehbuch: Robert Bolt
Musik: Maurice Jarre
Darsteller: Peter O’Toole, Omar Sharif, Anthony Quinn, Alec Guinness, Jack Hawkins, José Ferrer, Anthony Quayle etc.
Oscars: Bester Film, Beste Regie (David Lean), Beste Kamera (Fred A. Young), Beste Musik (Maurice Jarre), Ausstattung (John Box, John Stoll, Dario Simoni), Schnitt (Anne Coates), Ton (John Cox)
Und zum Schluss noch, was Winston Churchill über den rätselhaften und faszinierenden Thomas Edward Lawrence sagte:
„Ich halte ihn für eine der größten Persönlichkeiten unserer Zeit. Ich kenne keinen, der ihm gleichkommt. Sein Name lebt weiter in der englischen Literatur, er lebt weiter in den Annalen des Krieges, er lebt weiter in den Legenden Arabiens.“
… und der Film lebt immer in meinem Herzen.
© Sascha Besier
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